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Das Kulturfestival X 2022 ist zu Ende!

Liebe Besucher des Kulturfestival X,

das Kulturfestival X 2022 ist nun zu Ende gegangen.

Aber nach dem Festival ist vor dem Festival, daher sind wir bereits in den Planungen für 2023. Das Programm wird wie üblich hier für Sie eingestellt werden.
Wir möchten Ihnen allen für Ihre Geduld, Ihre Begeisterung und Ihre Treue danken!
Wir verabschieden uns mit einem Bericht über das KFX 2022 und über die letzte Veranstaltung von Sabine Rother und Bildern von Dagmar Meyer-Roeger.
Ihr Team der Stabsstelle für Kultur der StädteRegion Aachen


Von Sabine Rother

Die Schul-Aula im Inda Gymnasium Aachen-Kornelimünster ist ein guter Ort für diesen Abend, der um Wissen und Wissenschaft, Menschen und Menschliches kreist. Grauer Beton, rundum Alltägliches mit ein paar Schrammen, statt Innenarchitektur Funktionalität, ganz hinten in der Bühne das Bild vom „Blauen Planeten“, das von irgendeiner Veranstaltung übriggeblieben ist. Für die elfte und letzte Veranstaltung des Kulturfestivals X der StädteRegion Aachen hat die konzertante Aufführung von „Das Leben des Galilei“ von Bert Brecht den passenden Rahmen. Schauspieler Thomas Thieme hat sich das Werk zusammen mit Sohn Arthur, Musiker und Komponist, in der Regie von Julia von Sell zu eigen gemacht – man sollte besser sagen „einverleibt“.

Rund 8000 Zuschauerinnen und Zuschauer konnten im Rahmen des Festivals seit dem 20. März auf hochkarätige Künstlerinnen und Künstler treffen, die zu ihnen in die Region reisten, ob Dominique Horwitz, Europaschule Herzogenrath, Helmut Zierl, Gemeindehaus Lammersdorf, Ingolf Lück, Kultur- und Bildungszentrum Alsdorf, oder Barbara Auer und Walter Sittler, Grenzlandtheater Aachen. Sie alle sorgten für Furore. „Auch unsere Ausstellung im Fotografie Forum in Monschau war ein Erfolg“, freut sich Organisatorin Dr. Nina Mika-Helfmeier, Leiterin der Stabsstelle Kultur. „Wir mussten keine Veranstaltung absagen und dürfen nun unserem 20. Geburtstag 2023 entgegensehen.“

Ein besonderes Phänomen: Alle Veranstaltungen waren ausverkauft. In der Schul-Aula in Kornelimünster ist an diesem letzten Abend bei Brechts „Das Leben des Galilei“ gleichfalls kein Platz mehr frei, obwohl Thomas Thieme ein – sicherlich nicht so ernst gemeintes – Angebot formuliert. „Ich werde sprechen, mein Sohn hat Musik komponiert und singt die eigentlich für Kinderchor zur Inszenierung von Julia von Sell geschriebenen Stücke von Hans Eisler, ich selbst werde nicht die Stimme verstelle, das finde ich albern“, sagt er. „Wenn es Ihnen nicht gefällt, können Sie ruhig gehen.“ Alle lachen. Wer würde nach dieser Ansage noch die Schule verlassen?

Thieme mit Kappe und lockerer Jacke, das rote Hemd kann man schon sehen, später wird er sich wandeln, Jacke und Kappe ablegen, ganz in Rot Texte von 15 Rollen sprechen. Sohn Arthur steht zunächst im Dunkel der tieferen Bühne und lächelt, er kennt seinen 73-jährigen Papa, der mit Herzblut das Projekt meistert und ein bisschen erzählt. Die von ihm ausgewählte Version „Das Leben des Galilei“ hat Brecht 1939 im dänischen Exil verfasst. Sie wurde 1943 in Zürich uraufgeführt. Eine englischsprachige Neubearbeitung (1944-1947) erarbeitete er mit dem gefeierten britischen Schauspieler Charles Laughton.

Kurz sagt er etwas zum Inhalt, zum Diskurs über die Wissenschaft, zum Kopernikanischen Weltbild, das im 16. Jahrhundert die Vorstellung von einer Erde im Zentrum des Planetensystems ablöste. „Es war klar, dass die Kirche den Menschen als Geschöpf Gottes und als Krone der Schöpfung nicht auf so einer Erde sehen wollte“, sagt er.

Anschließend hört man das Lamento der Kardinäle. Den wütenden Papst, der mit seinem „Nein, nein, nein!“ buchstäblich auf den vatikanischen „Tisch“ im ehrwürdigen „Collegium Romanum“ schlägt, und nicht zuletzt die geschmeidige Drohung des Inquisitors, der bereits weiß: „Zeigt ihm nur die Instrumente der Folter, da wird er schon abschwören…“ All das, was Galileo Galilei umschwirrt samt seiner eigenen zitternden Angst vor Schmerz, Tod und Verlust der Lebensqualität, konzentriert sich in einer Gestalt: Thomas Thieme. Eine Veränderung der Lautstärke, eine andere Betonung, ein Blick – schon weiß man, wer da spricht, die Psychologie der Gestalten ist klar, das Publikum hat seinen „Film im Kopf“.

Stark dazu die Klangbühne durch Arthur Thieme, der seinen Kontrabass sägend beackert, ihn quälerisch ächzen und klingen lässt, die Mundharmonika oder ein dumpfes unheimliches Klopfen durch seinen dezent genutzten „Loop“ erreicht. Das zerrt an allen Nerven, die bei Galileo zum Zerreißen gespannt sind. Wunderlich die Gesangseinsätze, die Arthur Thieme gleichfalls bewältigt. Zunächst ist das gewöhnungsbedürftig, doch die Selbstverständlichkeit überzeugt, mit der er Stilistik vom klerikalen Priestergesang bis zur Moritat einsetzt. Zusammen mit seinem Vater, der in minimalen Bewegungen, einem tiefen oder flachen Atmen, polternd oder klug dozierend die Gefühle und Gedanken des Wissenschaftlers begleitet, entsteht ein (unsichtbares) Bild von der Gewalt des Geschehens, von den Ängsten der volksnahen Geistlichkeit, dass man mit dieser Einsicht dem einfachen Menschen, der im Schweiße seines Angesichts ein karges Brot erringe, die letzte Hoffnung nehme, die darin bestehe, sich unmittelbar unter den Augen Gottes zu bewähren. Empört der Ausruf: „Die Erde, ein gewöhnlicher Himmelskörper?? Der Mensch nicht mehr Gottes Ebenbild? Und wo ist Gott?“ Galileo: „In uns oder nirgends!“

Galileo beugt sich. Der italienische Mathematiker und Physiker lebt ab 22. Juni 1633 nach seinem Widerruf, den die Glocken von San Marco in Venedig verkündet haben, auf einem Landgut nahe Florenz – versorgt und scharf beobachtet von der Inquisition. Starr wird Thieme bei den Worten, die widerrufen, denn er weiß genau: das von der Kirche festgelegte geozentrische Weltbild des antiken Gelehrten Ptolemäus ist unhaltbar, das heliozentrische Weltbild des Kopernikus wissenschaftlich nachweisbar. Alles „Irrlehre“?? Er lässt es sich abpressen.

Später sagt er seinem einstigen Schüler Andrea unter vier Augen leise, verschwörerisch „Ich habe meinen Beruf verraten“, ein Moment, in dem auch das Publikum den Atem anhält. Es ist still im Raum. Die heimlich kopierten „Discorsi“ von 1638, die Summe seines philosophischen und wissenschaftlichen Lebenswerks, steckt er dem Vertrauten zu, damit er sie nach Amsterdam schmuggelt. Dort werden sie veröffentlich. Der Moment ist da. „Wie ist die Nacht?“ ruft er aus. „Hell!“, lautet die Antwort. Dann geht das Licht aus. Galileo stirbt 1642.

Anhaltender Applaus. Draußen ist der Himmel leider bedeckt.

Fotos: Dagmar Meyer-Roeger

dag Thieme 1

dag Thieme 2

Tags: KF-X


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